Pressestimmen

Südwest Presse

21.03.2016


Theaterprojekt Zukunft führt Moliere-Komödie im Horber Kloster auf

 

 

 

 

 

 

Geistvoll ging es zu im Theaterstück „Der eingebildete Kranke“ des französischen Komödiendichters Moliere, welches das Theaterprojekt Zukunft am Wochenende im Klostersaal aufführte. Aus einem Workshop im Jahr 2000 entstanden, sind nach 16 Jahren immer noch die meisten Akteurinnen dabei und haben sich in der langen Praxis von 11 erarbeiteten Theaterstücken unter der Regie der erfahrenen Regisseurin Pina Bucci eine erstaunliche Schauspielperfektion erarbeitet.

Gespenstisch zogen weiß-verhüllte Gestalten auf die Bühne, warfen ihre Bedeckungen ab. Darunter kamen Pflegekräfte in Krankenhaus-Outfits zum Vorschein, zogen Spritzen aus den Taschen, rollten einen Verband vor ihre Gesichter als Kompresse ihrer sich konzentrierenden Gruppe, dann wieder entwirrend mit Spateln sich gegenseitig den Rachen prüfend, schließlich ins Publikum ausschwirrend und mit einem kruden Mix aus Deutsch und einem vergewaltigten Latein Pillen an die Besucher verteilend. Wimmernd und jammernd beendeten sie ihr Vorspiel.

Mit fröhlicher Geschäftigkeit wirbelte die treue Seele des Haushaltes Argan, das Dienstmädchen Toinette (Andrea Glatter) mit dem Wischmob durch den Raum und hängte als einzige Requisiten zwei Fensterrahmen auf. Sich vor Schmerzen windend, gleichzeitig Geräusche ungeordneter Verdauung und der Reaktionsäußerungen darüber ausstoßend rollte Hausherr Argan (Dieter Behler), mit Bademantel und Schlafmütze geziert, auf seinem Stuhl in die Szene. Hyperventilierend verlas er die Rechnung seines Apothekers Fleurant, dessen höflichen Ton er zwar würdigte, jedoch registrierte er jeden neuen aufgeführten Betrag mit Aufstöhnen.

Mit bodenständigem gepflegtem Schwäbisch kommentierte Toinnette ihre Einschätzung der molierschen privatärztlich-abgerechteten  „IGeL-Leistungen“ : „Dia hent a richtige Kuh zom Melka gfonda.“

Verliebt-beschwingt schwebte Argans Tochter Angelique (Iris Heimsch-Dörr) durch das Krankenzimmer ihres leidenden Vaters, hatte sie doch vor gerade 7 Tagen Cleante kennengelernt und sich unsterblich in ihn verliebt. Der knappen Theatergruppenbesetzung geschuldet beschränkte sich die Rolle des jungen Liebhabers auf die Darstellung eines hintergrund-beleuchteten Lichtbildes.

Argan stellte sich die Zukunft seiner Tochter jedoch als Gattin des des Jungmediziners Thomas Diafoirus  vor, um einen kostengünstigen Arzt gleich im Hause zu haben. Dessen Vater, Hausarzt Monsieur Diafoirus (Christiane Müller) erschien auch gleich, beim Zuschauer Zweifel erregend, ob sein abgehacktes näselndes Französisch Noblesse hervorkehren oder geistige Beschränktheit verdecken sollte. Christiane Müller war in allen drei Mediziner-Rollen eine glänzende Besetzung, jedem Typen gab sie eine eigene Sprachfärbung , und im Vater-Sohn-Dialog war sie überwältigend.

Argans Frau Beline (Susanne Henning) war mehr um den eigenen Zugewinn als am Leiden ihres Gatten besorgt. Ganz zufällig stand der Notar De Bonnefoy (Ingrid Schumm) bereit, das Testament zu erstellen. Auf einen Aktenkoffer verzichtete er, die saftigen Rechnungen für seine Beurkundungen hatte er gleich an den würdegebietenden Talar geheftet.

Zum Guten wendete der Auftritt von Argans Bruder Beralde (ebenfalls Ingrid Schumm), der Angelique zu ihrem Glück verhalf und in konspirativer Verständigung mit Toinette die Heuchler und Hirngespinste der Wissenschaft aufdeckte. Er riet dem eingebildeten Kranken, die wahren Absichten seiner angeblich so treusorgenden Gattin aufzudecken, die dies unvorsichtigerweise tat, als sie um ihren soeben verstorbenen Gemahl trauern sollte. Ein genialer Regieeinfall Pina Buccis, die karge Bühne nicht mit einem Totenbett zu „beleben“, sondern in wörtlicher Interpretation „stell dich tot“ den „Verblichenen“ an die Wand zu stellen.

Die wahrhaft trauernde Angelique, überzeugend von Iris Heimsch-Dörr gespielt, bekam die Einwilligung, ihren Cleante zu heiraten, und alle Zuschauer bekamen einen heiteren Theaterabend geboten, den viele mit Bravorufen quittierten, denn die Theatergruppe zeigte ein Laienspiel höchster Güte.

 

Hans-Michael Greiss